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Pribislaw
von Parchim-Richenberg
Mäßig im Glück - ungebeugt im Unglück
Ein frühes mecklenburgisches Fürstenschicksal
Wenn es um die ersten Fürsten unseres
Landes geht, dann sollte man sich den
Namen Pribislaw merken. Der nämlich taucht gleich zweimal in
der frühen
Herrschaftsgeschichte Mecklenburgs auf: Der erste Pribislaw
war Sohn des
Obotritenfürsten Niklot. Nachdem letzterer 1160 vor seiner
Burge Werle
totgeschlagen worden war, setzten Pribislaw und dessen
Bruder Wertislaw den
Kampf gegen Heinrich den Löwen fort. Wertislaw endete am
Galgen, Pribislaw
dagegen kämpfte unverdrossen weiter und drang tief und
verheerend in des
Löwen Herrschaftsgebiet ein. Heinrich der Löwe, Herzog von
Sachsen und
Bayern, hatte anderenorts andere machtpolitische Sorgen als
sich mit diesem
Slawenfürsten herumzubalgen. Es kam zu einem Bündnis:
Borwin, der Sohn von
Pribislaw, heiratet Mathilde, die Tochter Heinrich des
Löwen. Pribislaw
bleibt dessen Vasall bekommt aber das Obotritenland mit
Ausnahme der
Grafschaft Schwerin zum Lehen als da waren: die Länder
Mecklenburg,
Rostock, Werle und Warnow/Parchim. Nach Fürst Pribislaws
Turniertod erbt
dessen Sohn Borwin I. des Vaters Besitz, und als nun
wiederum Borwin kurz
nach dem Tode seines einzigen Sohnes, Borwin II., stirbt,
sind da vier
erbberechtigte Enkel unter denen das Obotritenland
aufgeteilt werden muss ?
es kommt 1229 zur ersten mecklenburgischen
Hauptlandesteilung: Nach
Eintritt der jeweiligen Volljährigkeit übernimmt Fürst
Johann 1231 das Land
Mecklenburg, Fürst Nicolaus 1232 das Land Werle, Fürst
Heinrich Borwin III.
1234 Rostock und letztlich Fürst Pribislaw 1238 das Land
Warnow/Parchim.
Verfemt und rehabilitiert
Dieser letztere, der uns als zweiter Fürst Pribislaw
begegnet, hat die
tragischste Herrschaftsgeschichte, wohl aber auch die
interessanteste. Die
frühen mecklenburgischen Historiker, namentlich Ernst von
Kirchberg, lassen
an Pribislaw von Parchim/Richenberg jedoch kein gutes Haar.
Kirchberg
diffamiert ihn in seiner Reimchronik gar als Heide, nahezu
als Antichrist:
?Er war ein sehr böser Christ,
in halber Treu lebte er mit List,
er führte eine Jungfrau im BildeA
gemalt an seinem Schilde,
das betete er an ohne Spott
ganz und gar als einen Gott?, (Kirchberg 229. Kapitel),
wobei die Jungfrau
als heidnisch-slawische Göttin Siva gesehen wird. Woher
dieser Hass kommt,
werden wir noch sehen.
Erst zur Mitte des 19. Jahrhunderts korrigieren der
Schweriner Archivar
Lisch und der Parchimer Historiker Dr. Beyer das historische
Bild des
Fürsten Pribislaw.
Ein Jüngling und umsichtiger Fürst
Pribislaw, etwa zwischen dem 15. Februar und dem 3.Juni 1224
geboren,
wächst im Hause seines Bruders Johannes auf. Fürst Johannes
führte ab 1231
als Vormund des jüngeren Bruders vorerst das Regiment auch
in dessen
Herrschaft Warnow/Parchim.
Pribislaw wird seiner Ausbildung wegen wahrscheinlich auf
Reisen ins
Ausland geschickt worden sein, vermutlich weilte er auch am
Hofe Kaiser
Friedrich II. Seine ausgeprägte Abneigung gegenüber dem
Mönchswesen, wohl
eher gegen den kaum zu stillenden Landhunger der
Feldklöster, soll er von
dort mitgebracht haben.
1238 tritt der junge Fürst seine Herrschaft im Lande Warnow
an, nimmt
seinen Sitz auf der Burg Parchim (heute Bleicherberg) und
nennt sich ab
1239 Pribislaw von Parchim. Seine Herrschaft umfasst die
Provinz Warnow mit
den Ländern Parchim (mit Brenz und Rosengarten), die Ture
(Amt Lübz), und
die späteren Vogteien Plau, Goldberg, Sternberg und
letztlich Richenberg
(an der Warnow bei Langen Brütz/Kritzow), das noch eine
Rolle spielen wird.
Pribislaw kümmert sich vorerst um die Beilegung von
Grenzstreitigkeiten,
wobei er Brenz an den Schweriner Grafen abtritt. Dann geht
er dazu über die
Städte seiner Herrschaft wirtschaftlich zu stabilisieren,
schlägt etwa der
eher kleinen Lübzer Stadtfeldmark einige Feldmarken
benachbarter Dörfer zu,
gründet Goldberg und wohl auch Sternberg und verleiht beiden
parchimsches
Stadtrecht. Ebenso umsichtig geht er in seiner ?Hauptstadt?
Parchim vor, wo
er die Parchimer Neustadt gründet. Seinen Parchimer
Vertrauten, Pfarrherr
Johannes, beauftragt er mit der Einrichtung von Schulen auf
der Alt- und
der Neustadt, ein ?erste(s) Beispiel einer landesherrlichen
Fürsorge? in
Mecklenburg, schreibt Beyer. Und ? wohl unter Pribislaw
siedelten die
ersten Juden in Parchim und damit in Mecklenburg überhaupt!
Aufbruch nach Richenberg
Dann geschieht etwas sehr Ungewöhnliches: Pribislaw von
Parchim bricht 1248
in seiner Parchimer Hauptstadt alle Zelte ab, baut sich
weitab vom Schuss
am Ufer der Warnow bei dem Dorf Kritzow eine neue Burg und
nennt sich
fortan Pribislaw Herr von Richenberg. Von Parchim ist da
keine Rede mehr.
Zudem ändert er sein Siegel: Aus dem schlichten Siegel mit
Stierkopf wird
ein Majestätssiegel mit dem lockigen Hauptes thronenden
Pribislaw, umhängt
mit Fürstenmantel, das entblößte Schwert auf dem Schoß
ruhend ? ein
selbstbewusster Herrscher!
Was aber veranlasste den Fürsten Parchim zu verlassen? Dr.
Beyer verweist
auf die Enge der Parchimer Burg, die der durch die
Vermählung des Fürsten
vergrößerten Hofhaltung nicht mehr entsprach, selbst eine
?Sommerresidenz?
zieht er in Betracht. Deshalb, so Beyer, ?das neue Schloss
... in einer
anmuthigen (!) Gegend an den hohen Ufern des Warnowthales...?.
Anmuthige
Gegend? Noch galt das Slawenland als ?Land der Wildnis und
der wüsten
Einöde?, mit ?anmuthig? war da nichts. Eher ist anzunehmen,
dass Pribislaw
sich mit der Stadt Parchim überworfen hatte, worauf
hinweist, dass in einer
späteren Privilegien-Bestätigung Parchims ausdrücklich auf
?die Rechte der
Stadt zur Zeit des Fürsten Johannes? (während dessen
Vormundschaft für
Pribislaw) hingewiesen wird ? Pribislaw dagegen wird nicht
mal erwähnt!
Wohl ein Zerwürfnis mit der Stadt ebenso wie der nun
folgenschwerere Händel
mit dem Schweriner Bischof Rudolf wird Pribislaw zur
Verlegung seiner
Residenz an die Nordgrenze seiner Herrschaft veranlasst
haben.
Ein Bischof in Ketten
Vorgeschichte: Anlässlich der Schweriner Domweihe 1171 nimmt
Heinrich der
Löwe die wirtschaftliche Ausstattung des Bistums Schwerin
vor und überträgt
dem Bistum erheblichen Landbesitz am Mittellauf der Warnow
mit den Zentren
Bützow und Warin. Damit verbunden sind Rechte an Acker,
Diensten,
Gerichten... ? keinesfalls aber landesherrliche Rechte wie
etwa das von
Befestigungen. Hinzu kam später die Auflage an die Fürsten,
in ihren
Ländern den Kirchenzehnt für den Bischof einzutreiben.
Während der Herrschaft Pribislaws kam Bischof Rudolf I. auf
den Schweriner
Bischofsstuhl und die Fehde begann ? nicht nur wegen des
Zehnt mit
Pribislaw. Der ?kriegerische? Kirchenmann stritt sich wegen
der
Diözesangrenzen mit Havelberg, mit Kammin, mit Vorpommern
und mit Güstrow.
Dabei weiß der Bischof den Papst hinter sich, der in seinen
Weisungen auch
schon mal ganz unverhohlen von der Okkupation von Land zur
Erweiterung der
Diozesen ?per violentiam? aufruft, also durch Gewalt.
Pribislaw war also
gewarnt.
Als Bischof Rudolf 1252 in Bützow eine Burg zu errichten
beginnt, ist das
Maß voll. Fürst Pribislaw fordert den Gottesmann auf, den
Bau sein zu
lassen, Befestigungen seien landesherrliches Regal und er,
der Bischof, sei
kein Landesherr. Rudolf aber fühlt sich als Territorialherr
und baut
weiter. Daraufhin greift Pribislaw zur Gewalt, zerstört die
angefangene
Burg, brennt eine andere nieder und führt den Bischof als
Kriegsmann in
Harnisch und hoch zu Ross in Gefangenschaft nach Richenberg
ins Verlies.
Fürst Pribislaw verliert sein Land
Kurz jedoch war die Haft; mäßiges Lösegeld und das
Versprechen, von
Befestigungen abzusehen, führten den Bischof wieder in
Freiheit ? vergessen
hatte er die Schmach aber nicht. Erst einmal ließ er wegen
des
Kirchenzehnts den Pribislaw in Reichsacht legen und den
päpstlichen Bann
gegen den Fürsten erwirken, was wohl 1255 zu einem Vergleich
der beiden
beitrug. Doch damit nicht genug: Gleich im nächsten Jahr als
Pribislaw wohl
ahnungslos in Nähe der Grenze zum bischöflichen Stiftsland
ritt, wurde er
von seinem eigenen Vasallen (im Auftrag des Bischofs?)
gefangen und dem
Bischof ausgeliefert.
Was nun folgte, war ein brüderliches Trauerspiel: Die drei
älteren Brüder
ließen den jüngsten im Stich. Sie zahlten dem Bischof die
enorme Summe von
400 Mark Silber, zwangen den Pribislaw das Land zu verlassen
und teilten
dessen Herrschaft unter sich und den Grafen von Schwerin,
Pribislaws
Schwager, auf.
Über einige Zwischenstationen ging Pribislaw ins Exil nach
Pommern. Als
Bischof Rudolf 1262 starb, weigerte sich auch dann noch
Pribislaws
Verwandtschaft, dem exilierten Fürsten seinen ererbten
Besitz
zurückzugeben. Noch einmal, 1270, sah die alte Heimat ihren
Fürsten wieder.
Jetzt erst verzichtete er auf seine Ansprüche auf das Land
Parchim-
Richenberg, klärte noch anstehende Familienangelegenheiten
und kehrte nach
Pommern zurück, wo er um 1275 starb.
Der Bleicherberg in Parchim ist heute noch zu sehen. Burg
Richenberg
dagegen hat keine oberirdischen Spuren hinterlassen. Ein in
Langen Brütz
ansässiger Heimatverein hat sich jedoch u.a. die Aufgabe
gestellt, den
exakten Standort von Burg Richenberg auf dem Schlossberg an
der Warnow zu
lokalisieren.
Herbert Remmel
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weiterführende Links:
-->
Erste
Wanderung entlang des alten Kirchsteigs
-->
Projektentwurf - Kirchsteig Karnin-Langen Brütz ("Das
Warnow-Richenberger Land") |
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